Käthi Bhend – Der goldene Schlüssel Nr. 2

Der goldenen Schlüssel Nr. 2

Der goldene Schlüssel Nr. 2 knüpft an das letzte Märchen der Gebrüder Grimm an und handelt von einem armen Jungen, der die Aufgabe hat zu tiefer Winterzeit Holz mit einem Schlitten zu holen. Da er furchtbar friert, beschließt er zunächst ein Feuer zu machen. Beim Wegscharren des Schnees, stößt er auf einen goldenen Schlüssel. Er gräbt weiter in der Erde und entdeckt schließlich ein eisernes Kästchen.  Obwohl der Schlüssel passt, bleibt der Inhalt auch für den Leser verborgen.

Die Autorin greift diese Grundidee der Gebrüder Grimm auf und entwickelt die Handlung weiter. In der Einleitung erfahren wir, dass eine alte Frau mit ihrer Katze die Sonne sucht. Auf dem Weg möchte sie Frau Flora in ihrem Schloss besuchen. Die weitere Handlung wird ausschließlich anhand der vielfältig interpretierbaren Illustrationen erzählt, gleich dem Prinzip „Bilderbuch ohne Worte“.

Frau Flora überreicht der alten Frau einen goldenen Schlüssel und gewährt ihr damit einen Einblick in ihr jüngeres Ich. Auf der Suche nach der Sonne erhalten die Katze und die alte Frau viele hilfreiche Hinweise von unterschiedlichen Tieren. Gemeinsam wärmen sie sich am Feuer in einer Höhle auf, speisen unter einem Pilz und schmusen bei Regen mit Löwen. Durch diese vielen Begegnungen reift das jüngere Ich der Frau heran und diese Erfahrungen prägen sie so sehr, dass auch bald ihre innere Sonne erstrahlt.

Auf dem Titelbild schaut eine verdutzte Katze dem Leser genau in die Augen. Um den Hals hängt ein goldener Schlüssel, ein Symbol für die menschliche Fantasie. Den Zugang zum Ideenreichtum muss jeder selbst finden und so hüllt uns Käthi Bhend so ordentlich in Herbstnebel ein. Die Herbstblätter wirbeln umher und ermöglichen jede erdenkliche Interpretation der bildlichen Darstellung. Hier gibt es kein richtig oder falsch – die Kreativität steht im Vordergrund.

Die farbliche Gestaltung ist eher gedeckt. Die Erdtöne überwiegen und hüllen den Betrachter in eine geheimnisvolle, aber dennoch ruhige und zuversichtliche Stimmung. Jüngeren Kindern könnten die Anknüpfungspunkte fehlen, um den vollständigen Sinn zu finden. Kinder ab der 7. Klasse könnten da schon mehr herausgefordert werden und versuchen die Ereignisse zu einem stimmigen Bild zusammenzufügen. Das Geschichtenerfinden könnte mit diesem Bilderbuch wunderbar thematisiert werden.

Es ist eine Geschichte voller Nebel und Wirrungen und vielleicht daher auch so anziehend, spannend und aufregend.

Der goldene Schlüssel Nr. 2

Nebelhafte Darstellung, die viele Interpretationsansätze in sich birgt.

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Marije und Ronald Tolman – Die Insel

Die Insel- Tolman

Das Cover suggeriert bereits die fast spürbare Einsamkeit gekoppelt mit Sehnsucht und Hoffnung. Wir sehen den äußerst passenden Titel zum Bilderbuch ohne Worte, schlicht und einfach: die insel.

Ein Eisbär klettert auf einer Hängeleiter in eine große weiße Wolke.  In diesem geschützten Rahmen der Fantasie nimmt die Geschichte ihren Lauf. Die folgenden Doppelseiten zeigen den Eisbären mit den unterschiedlichsten Tieren. Er schwimmt mit allen möglichen Meeresbewohnern, taucht mit Delfinen, lauscht der Geigenmelodie vom Waschbären und betrachtet mit ihm den Sternenhimmel. Dabei wechselt seine Einsamkeit sich durch unterschiedliche Begegnungen ab.

Die Tiere kommen und gehen. Jedes Lebewesen teilt einen bestimmten Lebensabschnitt, besondere Momente und Erlebnisse mit dem Eisbären und zieht dann weiter, entlang seinem ganz persönlichen Lebensweg. Sie hinterlassen immer ein Stück von sich und bleiben in der Erinnerung des Eisbären für immer haften.

Das Konstrukt mitten im Meer wird durch weite Landschaften und helle Farbflächen hervorgehoben. Die Ausgeglichenheit, die innere Ruhe des Bären und die sachte Umgebung ist ansteckend. Ein verschmitztes Lächeln begleitet seine Lippen durch das ganze Buch. Dieses Bilderbuch ohne Worte, das von seinen Lesern interpretiert werden möchte, schildert das Leben. Schlicht und einfach.

Tolman - Die Insel

Dieses Bilderbuch ohne Worte nimmt den Leser auf eine Reise zum eigenen inneren Ruhepol.
Es ist schon fast magisch!

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Frank Flöthmann – Grimms Märchen ohne Worte

Grimms Märchen ohne Worte

Grimms Märchen verzaubern Jung und Alt. Jeder kennt sie, jeder liebt sie. Man wächst mit ihnen auf und liest und hört sie immer wieder gerne. Bei Märchen denkt man automatisch an verschnörkelt illustrierte Bücher mit viel Magie und Nostalgie.

Umso erfrischender kommt das von Frank Flöthmann geschaffenes Werk, das ganz ohne Worte, aber dafür mit vielen frechen und eigenwilligen Piktogrammen auskommt, daher. In den vorherrschenden Farben „grün“ und „rot“ und mit einigen Spritzern von „weiß“ und „schwarz“ überladenen, kleinen Szenebildern, werden die Märchen neu erzählt, zum Teil auch mit einem neuinterpretierten Ende. Wenn z.B. die vom Jäger gerettete Oma und das Rotkäppchen beschließen, den Wolf als Strafe zu ihrem Diener zu degradieren.

Auf 86 Seiten werden 16 bekannteste Märchen von den Gebrüdern Grimm erzählt, darunter „Frau Holle“, „Rumpelstilzchen“, „Aschenputtel“, „Hans im Glück“ etc. Frank Flöthmann schafft es seine Leser zur intensiven Auseinandersetzung mit den Zeichnungen und evtl. bereits verstaubten Kenntnissen der Märchenhandlung zu bewegen.

Kleine Pfeile als Wegweiser geben den richtigen Weg für die Erzählung an, denn auch hier folgt Frank Flöthmann nicht den gewöhnlichen Konventionen, sondern bedient sich seiner Autorenfreiheit und bindet manchmal auch zwei Pfeile in ein Bild ein, um die Gleichzeitigkeit des Geschehens darzubieten.

Das Gehirn rattert bei jedem Bild und die Zunge sucht nach den passenden Worten und Ausdrücken für diese humoristischen und ganz eigenen Darstellungen.

Ja, die Seiten sind überfüllt und verwirren womöglich auf den ersten Blick. Die Farben mögen für die Augen anstrengend sein. Aber genau diese Andersartigkeit, diesen Sarkasmus liebe ich an diesem Buch!

In der Unterrichtspraxis können Teile dieses Werkes zur Förderung des mündlichen Sprachgebrauchs eingesetzt werden. (Manche Szenen sind nicht unbedingt für Kinder geeignet, wenn z.B. ein Stinkefinger die Wut einer Figur ausdrücken soll. Da sollte selektiv vorgegangen werden). Als Abschluss einer Unterrichtsreihe, in der die Kinder sich mit den bekannten Märchen der Gebrüder Grimm auseinandergesetzt haben, können einzelne Märchen in Gruppen nacherzählt und schließlich im Plenum vorgetragen werden. Vorkenntnisse sind für die Nacherzählung notwendig. Auch die Beschäftigung mit der Andersartigkeit der hier dargestellten Märchen ist denkbar. Was wurde vom Original abgewandelt? Denke dir auch ein Ende zu einem selbst gewählten Märchen aus. Stelle dein Lieblinsgmärchen ebenfalls im Comic-Format dar. Welche Symbole wurden für bestimmte Handlungen verwendet? Die Bandbreite der möglichen Arbeitsaufträge ist groß, genauso groß wie meine Begeisterung für dieses Buch!

Grimms Märchen ohne Worte

Um es in Frank Flöthmanns Darstellunsgweise zu sagen: Unkonventionell + frech = liebenswert!

Und das Beste? Dieses Buch gibt es hier auf meinem Blog am 23.04.2013, dem Welttag des Buches, zu gewinnen!

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Ingrid & Dieter Schubert – Der rote Regenschirm

Die beiden Freunde, die kleine Katze und der schwarze Hund, werden durch einen Sturm voneinander getrennt. Der neugierige Hund tastet sich an den roten Regenschirm heran und wird glatt mit dem sturmigen Wind hoch in die Luft gerissen. Nun beginnt für ihn eine abenteuerliche Reise. Er wandert gemütlich auf weichen Wolken, erfährt die Hitze in der Savannah, kämpft mit seinem Schirm gegen gefährliche Krokodile, reitet auf hohen Wellen und schwingt sich durch die Lianen im tropischen Regenwald. Doch irgendwann sind diese Abenteuer so erschöpfend, dass der Hund nur den Wunsch hat wieder zu seinem Freund zurück zu kommen…

Ein Bilderbuch ganz ohne Worte. Jede Doppelseite erzählt von den zahlreichen Abenteuern des kleinen Protagonisten. Das Buch lebt von den Bildern und die Handlung ist unkompliziert und schnell zu erfassen. Die fantastische Reise führt den neugierigen Hund durch viele wunderschöne Orte auf dieser Welt, die jedoch auch Gefahren bergen können. Die Bilder bieten durch einige Einzelheiten eine differenzierende Bandbreite an Sprachmaterial, sodass die Sprachkompetenz der kleinen Erzähler nicht nur gefördert, sondern auch gefordert werden kann. Es bietet sich ebenfalls an, die jeweiligen Abenteuer gemeinsam mit den Kindern nachzuspielen. Da wäre das Hüpfen auf den Wolken, das Wellenreiten, der Tauchgang in die Tiefen des Meeres, das Schwingen auf den Lianen und das Frieren am Nordpol. Die Kinder werden sich wunderbar in die jeweilige Situation hineinversetzten und somit ihre Fähigkeiten im gestischen und mimischen Spielen ausbauen können. Denn auch die Gefühlswelt wird angesprochen: die Trauer über den Verlust des Freundes, die Aufregung all die unbekannten Tiere zu sehen, die Furcht vor den Krokodilen, die Erschöpfung am Ende der Reise und die Wiedersehensfreude zum Schluss. Die Bandbreite ist beachtlich.

Ein kleiner Kritikpunkt ist die Titelbildgestaltung, die ganz irreführend eine Giraffe abbildet. Man könnte vermuten, dass die Giraffe eine besondere Rolle in dem Buch spielt, was jedoch nicht der Fall ist und sich somit eher als störend erweist und eventuell zu Missverständnissen führen könnte.

Ein Bilderbuch, das ganz ohne Worte auskommt, die sprachlichen Kompetenzen fördert und wunderbar für das Nachspielen eingesetzt werden kann.

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