Dagmar Geisler – Was, wenn Eltern auseinandergehen?

Rezension

Es ist nicht so leicht, einen Anfang zu finden, um über diese Dinge zu reden.

Eine „Trennung“ oder „Scheidung“ kommt vor. Das tut allen Beteiligten weh und macht vielen Kindern Angst. Dagmar Geisler geht dieses Thema ganz behutsam an und pflanzt den inhaltlichen Samen in eine Kindergartengruppe, in der Marie den anderen Kindern erzählt, dass die Eltern ihrer Freundin sich scheiden lassen wollen. Es folgt ein spannender Austausch aus Kindersicht.

Auf der Metaebene wird zwischendurch erklärend eingestreut, dass die Liebe zwischen Mutter und Vater vergehen kann. Es wird glücklicherweise ein Unterschied zur Bindung zum Kind gemacht. Diese Art der Liebe bleibt für immer bestehen. Es wird kindgerecht der Weg bis zum schlussendlichen Auseinandergehen gezeigt.

Manchmal sitzen sie bloß da.

Manchmal weinen sie.

Manchmal streiten sie und manchmal fährt einer plötzlich weg…

Einige Kindergartenkinder werfen ein, dass deren Eltern sich auch streiten, was natürlich Angst schürt. Erfreulich ist, dass ein anderes Kind deutlich macht, dass Streit in Ordnung ist, solange sie sich vertragen. Für alle Beteiligten hilft in so einer Situation zu reden. Schließlich werden auch positive Entwicklungen aufgezeigt, die so eine Trennung mit sich bringen kann. Hier gibt es verschiedene Wege, sei es eine neue Familienkonstellation in einem Patchwork-Rahmen oder der nun wieder fröhliche Vater mit einer neuen Freundin.

Pädagogisch sinnvoll ist die Idee zum konkreten Umgang mit den Ängsten und Sorgen in Form eines „Wunschzettels“. Auch wenn die Wünsche womöglich gar nicht in Erfüllung gehen, sie sind zunächst raus und das alleine erleichtert schon ungemein. Hier wird eine Gesprächskultur forciert, die ermöglicht angstfrei und sachlich über das sensible Thema zu sprechen. Ein offener Umgang erleichtert auch Kindern die Verarbeitung und fängt sie in diesem neuen Lebensabschnitt auf.

Blick ins Buch

Fazit

Eine offene Gesprächskultur hilft, mit den Gefühlen zurecht zu kommen.

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Kai Lüftner und Katja Gehrmann – Für immer

für immer

Der kleine Egon ist seiner eigenen Aussage nach ein „Zurückgebliebener“. Denn zurück bleiben die, die jemanden verloren haben. Egon hat seinen Vater verloren. Für immer. Wie lange ist für immer? Ewig!

Die Menschen um ihn herum verhalten sich auf einmal ganz komisch. Da sind die Flüsterer, die Grinser und die Sprachlosen. Egon mag sie alle nicht. Es ist eben schwer über den Tod zu sprechen. Doch Egon trägt immer ein kleines Stück von seinem Vater im Herzen. Er ist immer bei ihm. Für immer.

Dieses Buch wartet seit Monaten auf meine Rezension. Warum? Ganz einfach, weil ich fürchte der Schönheit dieses Buch mit meinen Worten nicht gerecht werden zu können.

Kai Lüftner stellt die äußerst schmerzhafte Irreversibilität des Todes in einer rührenden und poetischen Weise dar. Kinder können das Konzept des „Nie-wieder-kommens“ ab vier Jahren bereits relativ gut auf Tiere anwenden. Bezogen auf Personen gehen sie in dieser Entwicklungsphase aber noch davon aus, dass bestimmte Personengruppen wie z.B. die Eltern vom Tod ausgenommen sind. Erst ab sieben Jahren gelingt die Ausweitung auf alle Personen um einen herum. Bilderbücher stellen somit eine unschätzbare Hilfestellung in Bezug auf die Thematisierung des Phänomens Tod  dar.

„Für immer“ findet eine eigene Sprache, um das Unfassbare, Unerträgliche zu gestalten. Kai Lüftner schafft den notwendigen Raum, der zur Trauerbewältigung nötig ist, und schließt dabei Angst, Verlassenheit, aber auch Trost und die Sehnsucht nach der Zukunft mit ein. Dem dramatischen Verlust sind Ruhe und Kraft entgegengesetzt.

Durch eine kleine Rückblende sehen wir Egon im Zimmer seines kranken Vaters und können beobachten wie er dort seinen roten Drachen, der ihn durch das ganze Buch begleiten wird, baut. Sein Vater hilft ihm dabei und deutet mit einer Säge und einem Holzstiel bereits das Kreuzzeichen, seinen eigenen unvermeidlichen Tod, an.

Es gibt keine Tabletten gegen das „Für immer“.

Der Schmerz ist unendlich groß. Doch wie lange ist überhaupt „für immer“? Egon beginnt sein Zeitverständnis mit für ihn relevanten Zeitspannen zu vergleichen. Diese Seite ist für mich einfach herzzerreißend: Ein hilfesuchender kleiner Junge im endlosen Labyrinth mit der schmerzlichen Erkenntnis – Für immer ist ewig!

Die drei Gruppierungen der Menschen um Egon herum sind ebenfalls grandios realistisch dem wirklichen Leben entnommen. Die einen versuchen die Tragik mit Witzen zu überspielen, die anderen flüstern über den kleinen Egon in der Annahme er würde es nicht wahrnehmen. Die Mehrheit jedoch schweigt einfach, weil das Unfassbare auch für sie nicht wirklich greifbar ist.

Kai Lüftner findet kindgerechte tröstende Worte, verpackt in kurze Sätze, um das Unfassbare für Kinder verständlich zu bündeln. Die letzte Seite ist schließlich das i-Tüpfelchen. Hier bleibt garantiert kein Auge trocken. Doch auch das „Weinen“ gehört zur Trauerbewältigung. Und es ist ermutigend zu sehen, dass die Schnur des roten Drachens auf der letzten Seite länger wird, auch wenn das Loslassen seine Zeit brauchen wird …

Kai Lüftner Für immer

„Für immer“ findet eine eigene Sprache, um das Unfassbare und Unerträgliche zu gestalten.

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Antje Damm – Clara und Bruno

Clara und Bruno

Clara liebt ihren Hund Bruno. Gemeinsam unternehmen sie Spaziergänge zum Strand, buddeln Löcher, gehen zum Metzger und angeln Fische. Doch irgendwann frisst Bruno nichts mehr und Clara macht sich Sorgen. Schließlich weiß sie, was kommt. Sie gräbt ein letztes Mal ein Loch, ein Loch für Bruno.

Die Auseinandersetzung mit dem Thema „Sterben und Tod“ ist schwierig, nicht zuletzt aufgrund der Unmöglichkeit der persönlichen Erfahrbarkeit, der Ungewissheit über ein Leben nach dem Tod sowie seine Unumgänglichkeit. Der Umgang mit dem Verlust eines Haustieres wird hier als Aufgabe der Hauptfigur gezeigt, denn nur aktive Trauerarbeit führt zu einer erfolgreichen Verarbeitung. Dazu gehören auch Tränen und die für immer bleibende Erinnerung.

Antje Damm zeigt einen exemplarischen Umgang mit dem Tod infolge einer Krankheit. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf einem angstfreien Zugang zu Sterben, indem es als normal, natürlich, als Teil eines Kreislaufes verdeutlicht wird.  Der eintretende Tod von Bruno wird vom Herbst begleitet und symbolisiert, da es sich um ein Naturphänomen handelt, die Vergänglichkeit. Auch die Metapher des starken Windes, das Wegfliegen, deutet den Tod an und macht es zu etwas Natürlichem.

Der sachlich-nüchterne Zugang wird durch die Darstellung des toten Fisches verstärkt, den sich Bruno schmecken lässt. Leben ist für uns alle, egal ob Mensch oder Tier, vergänglich und Teil eines natürlichen Kreislaufs. Antje Damm mutet ganz zu recht dem Kind eine unbeschönigte Konfrontation mit realen Problemen, die das Leben schreiben.

Clara und Bruno

Ein sachlich-nüchterner Zugang zum Thema Sterben und Tod.

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