Lucy Fleming – Mina und der Trau-dich-Zauber

Ich will nicht fort
an einen fremden Ort.
Dieser Baum ist mein Heim.
Genau hier will ich sein!

Es ist Herbst. Die Laubblätter bereiten sich auf das Loslassen vor, packen ihre Sachen, um auf den Boden zu segeln und dort in einem Eichelhaus zu überwintern. Das Blättermädchen Mina ist jedoch unerschrocken gewillt, sich nicht von der Eiche und damit ihrem Heim zu trennen. Sie klammert sich an die Zweige und bleibt auch bei bitterkalten Temperaturen als allerletztes Blatt hängen.

Irgendwann fühlt sie sich einsam und allein und erkennt, dass das Zuhause nicht an einen Ort gebunden ist. Daheim ist da wo die Familie und die liebsten Menschen sind. Mit diesem tröstlichen Gedanken segelt sie sanft nach unten und lernt, dass jede Veränderung im Leben mit Mut einhergeht. Nicht selten sind Veränderungen im Leben sogar eine sehr gute Entscheidungswahl, auch wenn sie einem zuvor Angst gemacht haben.

Diese fabelhafte Inszenierung von den Blättermenschen ist ein Genuss für das ästhetische Auge. Der Vater trägt einen Eichelhut und die Mutter ist in ein schickes Eichenblatt gehüllt. Dieses Bilderbuch bietet eine Sichtweise auf die Jahreszeit Herbst aus der Perspektive von Blättern. Für sie gilt es ihr Zuhause zu verlassen und Abschied zu nehmen. Nach dem Lesen wird man sicherlich einigen Laubblättern, die noch am Ast ausharren ganz anders begegnen.

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Nicola Davies und Laura Carlin – Himmelskönig

Der namenlose Junge in dieser Geschichte ist fremd in England. Niemand spricht Italienisch, die Sonne scheint viel weniger und das Vanilleeis schmeckt ganz anders. Er hat Sehnsucht nach seiner Heimat. Lediglich die Tauben aus Mr. Evans Taubenschlag erinnern ihn an sein Zuhause. Das Gurren ist ihm vertraut. Der Protagonist beginnt regelmäßig im Taubenschlag auszuhelfen und gewinnt Hoffnung und Vertrauen durch seine Taube “Himmelskönig”, die als beste Brieftaube das große Wettfliegen von mehr als 1.500 km für sich behaupten soll.

Rezension

In diesem Bilderbuch schwingt Unsicherheit, Einsamkeit, Schmerz aber auch Hoffnung und Zuversicht mit. Es geht um das Gefühl seine Heimat zu verlassen und die Fähigkeit sich in einer anderen Kultur und einem neuen Land zurecht zu finden. So wie der Junge „seinen“ Weg sucht, sucht auch die Taube als Verbildlichung seines seelischen Zustandes, im Wettfliegen den Weg zum eigentlichen Zuhause. Es geht um das Suchen und das Finden.

Auch wenn die Taube mehrere Tage brauchte und sich durch Wind und Regen kämpfen musste, ist sie letztendlich angekommen. Der Ausgang der Geschichte ist mehrdeutig. Auch wenn der Junge für sich beschlossen hat, dass er  nun „endlich wusste, wo er zu Hause war“, ist dem Leser unklar, ob er seine ursprüngliche Heimat  oder seine neue Heimat meint. Vielleicht ist es aber auch einfach das Fleckchen im Herzen, das ihm nun Ruhe gibt, weil er sich gar nicht entscheiden muss.

Die Illustrationen schildern wunderbar die innerliche Zerrissenheit des Jungen. Es finden sich viele Weißstellen und schemenhafte Darstellungen auf den Seiten. Die Gebäude und Personen sind oft verschwommen oder umrissartig angedeutet. Dunkel- und Helligkeit wechseln sich ab. Es herrscht Distanz und Nähe, Liebe und Angst, Abgrenzung und Akzeptanz.

Blick ins Buch

Fazit

Ein tiefsinniges Bilderbuch für alle Menschen dieser Welt – nicht nur Migranten.

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