Michael Köhlmeier spielt in seinem Buch „Das Sonntagskind“ mit dem Guten und dem Bösen. Beide Seiten stehen sich gegenüber und der Ausgang ist nicht immer vorhersagbar. Die von der Gesellschaft auferlegten Tugenden werden kritisch beäugt und mit viel Witz und manchmal auch Absurdität ausgemalt. In 16 Märchen und Sagen aus Österreich thematisiert der Autor auf herrliche Weise abgewandelte, bekannte und auch unbekannte Geschichten. Stets sind es wundersame Begebenheiten, die einen an die Geschichte fesseln. Da treffen gewiefte Teufel auf dümmliche Schmiede, die zum Glück eine kluge Frau an ihrer Seite haben und so rechtzeitig ihren Kopf aus der Schlinge ziehen können. Manche müssen jedoch auch ihr weißes Hemd lassen und kommen nicht ganz so glimpflich davon.
Weitere Hauptthemen sind Armut und Verzweiflung aber auch Liebe und Misstrauen. Viele Gefühle gehen mit ihrem Schatten Hand in Hand. Die Erzählungen sollten einzeln genossen werden. Jede Geschichte und mit ihr verbundene Aussage, Lehre, Moral bedarf einer ausführlichen Auseinandersetzung. Gerne auch in einem Diskurs.
Was macht dieses Buch so besonders? Für mich ist es definitiv der erfrischend „neuzeitliche“ Erzählstil des Autors. Die Zeilen sind gefüttert mit pointierter, frecher, alltäglicher Sprache (siehe Beispiel unten). Michael Köhlmeier hat sich stets die künstlerische Freiheit der Erzählkunst bewahrt und endet jede Geschichte mit der immer gleichen Aussage „So wird bis heute in … erzählt – so oder so ähnlich.“
Die Illustrationen von Monika Maslowka hauchen diesen Geschichten diese besondere Würze, auch Unbeständigkeit, Rätselhaftigkeit und Witz ein. Das wunderschöne Titelbild würde ich mir auch als Poster an die Wand hängen. Die in der Drucktechnik verewigten Blätter, das darauf schwebende Sonntagskind mit den goldenen Haaren und dem aufgeklebten fröhlichen „Blätter-Fisch“ als persönlicher Schutz, ist für die Geschichtensammlung sehr prägend. Insbesondere wenn man den in der Nähe lauernden fiesen Fisch betrachtet. Und was soll uns das sagen? Die Gefahr, die Bedrohung und Verlockung ist nie weit entfernt. Jeden Tag aufs Neue gilt es „richtige“ Entscheidungen zu treffen … na ja zumindest so oder so ähnlich …
Irgendwann, was weiß ich wann, lebte in der Nähe von Landeck ein Mann, der war arm, sehr arm. Er sagte zu sich selber: Keinen gibt’s, der ärmer ist als ich, keine auf der ganzen beschissenen Welt, verdammt nochmal! (S. 41)
Erfrischend spielerisch angehauchte, neuzeitliche Sprache verbunden mit tiefgründigen Botschaften.
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