Ein Bilderbuch über Sprache, Macht und soziale Ungleichheit
„Die große Wörterfabrik“ ist ein poetisches Bilderbuch, mit seiner tiefgreifenden Symbolik und Gesellschaftskritik, das auch schon für Kinder gut geeignet ist. Die Autorin und Illustratorin schaffen ein vielschichtiges Werk über Sprache, Liebe und soziale Gerechtigkeit.
In einem fiktiven Land muss man Wörter kaufen und schlucken, bevor man sie aussprechen kann. Sprache ist hier somit ein Luxusgut. Wer arm ist, kann sich kaum Worte leisten — wer reich ist, kann reden, beeinflussen, bestimmen. In dieser Welt lebt der schüchterne Paul, der nur wenige Wörter besitzt, aber sie dennoch einsetzen will, um seiner Freundin Marie seine Liebe zu gestehen. Doch sein Konkurrent ist reich und daher auch wortgewandt. Paul kann dennoch Marie seine Zuneigung zeigen und so merken die Leser, dass Kommunikation auch mit Gestik und Mimik stattfinden kann.
Die zentrale Kritik des Buches richtet sich gegen die Kommerzialisierung von Kommunikation und die soziale Ungleichheit, die dadurch entsteht. Worte als käufliche Ware — das ist eine kraftvolle Metapher für reale gesellschaftliche Strukturen, in denen Bildung, Ausdrucksfähigkeit und rhetorisches Geschick oft vom sozialen Status abhängen.
Die Geschichte prangert subtil, aber deutlich an, wie der Zugang zu Sprache und Ausdrucksmöglichkeiten zur Frage des Geldes wird. In der Realität sind es oft wirtschaftliche Bedingungen, die darüber entscheiden, wie frei und wirksam jemand kommunizieren kann — sei es durch Bildung, kulturelles Kapital oder mediale Reichweite. Das Buch zeigt, wie diese Ungleichheit Machtverhältnisse verfestigt: Wer die Sprache kontrolliert, kontrolliert auch das Denken und Handeln anderer.
Gleichzeitig offenbart „Die große Wörterfabrik“ aber auch die Kraft weniger, aufrichtiger Worte, was die Bilder einfach zauberhaft einfangen. Pauls sparsamer, aber ehrlicher Ausdruck von drei, vermeintlich bedeutungslosen Worten von „Staub, Kirsche und Stuhl“ übertrifft schließlich die leeren, pompösen Phrasen seines reichen Rivalen. Damit stellt das Buch eine hoffnungsvolle Gegenbotschaft auf: Echtheit und Gefühl können materielle Nachteile überwinden.

